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Arbeitsrecht

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Crowd Work

Rechtsgebiet:
Arbeitsrecht
Stichworte:
Arbeitsrecht
Autor:
Bürgi Nägeli Rechtsanwälte
Herausgeber:
Verlag:
LAWMEDIA AG

Definition

Crowd Work oder Click Work (Crowd Sourcing) ist eine Form der Arbeitsorganisation, mit welcher einer Vielzahl von Personen Arbeitsaufgaben zur Erledigung angeboten und von ihnen erledigt werden. Die Arbeitspakete werden von Unternehmen auf digitalen Plattformen (i.d.R. über ein Web-Interface) eingegeben und von Algorithmen registrierten Arbeitssuchenden zur Erledigung zugewiesen. Die Plattform tritt dabei lediglich als Vermittler auf. Nach Arbeitserledigung wird die Arbeitsleistung vom Unternehmen bewertet. Die Bewertung ist entscheidend dafür, wie wahrscheinlich dem gleichen Arbeitssuchenden wieder Arbeit zugewiesen wird.

Zu unterscheiden ist Crowd Work innerhalb und ausserhalb eines Unternehmens. Bei Crowd Work innerhalb eines Unternehmens werden Aufgaben in einem nur den Arbeitnehmern des Unternehmens zugänglichen System gestellt und nur von eigenen Arbeitnehmern des Unternehmens erledigt. Bei Crowd Work ausserhalb des Unternehmens werden die Aufgaben von Dritten über eine Plattform ausserhalb des Unternehmens erledigt.

Einsatzbereich

Die von Crowd Workern erledigten Aufgaben sind vielfältig. Es kann sich einerseits um Kleinstaufgaben handeln. Mit Crowd Sourcing lässt sich andererseits auch das Potential und Wissen von einer Vielzahl von Personen nutzen.

Crowd Work zugängliche Aufgaben sind bspw.:

  • Erfassen von Adressen und weiteren Kontaktangaben in einer Datenbank
  • Verfassen von Produktbeschreibungen (bspw. für Online-Shops)
  • Softwareentwicklung: Lösung von Problemen bei der Programmierung etc.
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Rechtliche Einordnung

Anwendbares Recht

Crowd Work ist in der Schweiz im Gesetz nicht geregelt. Entsprechend finden auf rein innerschweizerische Verhältnisse die Bestimmungen des Obligationenrechts Anwendung.

Bei Verhältnissen mit Auslandsberührung (Plattform im Ausland, Auftraggeber im Ausland, arbeitsausführende Person im Inland oder Plattform und Auftraggeber im Inland, arbeitsausführende Person im Ausland) muss das anwendbare Recht aufgrund der Vereinbarungen und AGB der Plattform und mangels einer Regelung nach den Bestimmungen des internationalen Privatrechts bestimmt werden.

Rechtsnatur

Ob Crowd Work bei rein innerschweizerischen Verhältnissen als Arbeitsverhältnis oder als Auftragsverhältnis, als Werkvertrag oder anderes Vertragsverhältnis zu qualifizieren ist, richtet sich nach den Umständen im Einzelfall.

Bei internem Crowd Sourcing leisten die bestehenden Mitarbeitenden des Unternehmens die Arbeit. In diesem Fall liegt ein vorbestehendes Arbeitsverhältnis vor und die Crowd Work wird im Rahmen dieses Arbeitsverhältnisses geleistet. Denkbar wäre zwar, dass die Crowd Worker für ihre gewöhnliche Arbeit Angestellte und für Crowd Work zugleich selbständige Auftragnehmer des Unternehmens sind. Es kommt auf die Ausgestaltung im Einzelfall an. Es erscheint jedoch im Hinblick auf das bestehende Arbeitsverhältnis eher unwahrscheinlich, dass sie aus der Perspektive der Gerichte und der Sozialversicherungen als Selbständigerwerbende anerkannt werden.

Wird Crowd Work von Dritten (externes Crowd Sourcing) geleistet, stellt sich ebenfalls die Frage nach der Natur des Vertragsverhältnisses. In diesen Fällen besteht weder zur Plattform noch zum Auftraggeber ein vorbestehendes Arbeitsverhältnis. Eine Eingliederung des Crowd Workers in die Organisation des Auftraggebers oder der Plattform findet nicht statt und es liegt kein Subordinationsverhältnis vor, weshalb eher kein Arbeitsverhältnis vorliegt. Die Plattform versteht sich lediglich als Vermittler.

Platziert der Auftraggeber ein Arbeitspaket auf der Plattform und wählt unter den abgelieferten Arbeiten die beste oder schnellste Arbeit aus (Wettbewerb), erhält nur diese Person eine Entschädigung. Alle anderen Personen, die Arbeiten eingereicht haben, gehen leer aus. In diesem Fall ist nicht von einem Arbeitsverhältnis auszugehen, sondern eher von einem Preisausschreiben (OR 8). Zwischen der ausführenden Person und dem Auftraggeber besteht bis zur Auswahl des Arbeitsergebnisses keine vertragliche Beziehung.

Wählt hingegen der Auftraggeber auf der Plattform eine bestimmte Person zur Ausführung der Arbeit aus, kommt eine Vertragsbeziehung zustande. Dieses Vertragsverhältnis kann arbeitsvertraglicher oder anderer Natur sein.

Je nach dem, ob eine Zuteilung von Arbeit an eine bestimmte Einzelperson oder ein Wettbewerb stattfindet und je nach Art der Arbeit liegt Wettbewerb (Preisausschreiben), ein Arbeitsvertrag, ein Auftragsverhältnis oder ein Werkvertrag oder eine andere Vertragsart vor. Massgebend sind die Verhältnisse im Einzelfall.

Leisten in einem (internationalen) Konzern die Mitarbeitenden einer Tochtergesellschaft Crowd Work für eine andere Tochtergesellschaft, liegt zur zweiten Tochtergesellschaft kein vorbestehendes Arbeitsverhältnis vor. Mangels einer Einbindung in die Arbeitsorganisation der zweiten Tochtergesellschaft ist es fraglich, ob zu ihr ein Arbeitsverhältnis begründet wird. Denkbar ist, dass die Crowd Work unter das bestehende Arbeitsverhältnis fällt und deshalb als unselbständige Arbeit gilt (Employee Sharing). Wie erwähnt, kommt es auf die Verhältnisse im Einzelfall an.

Organisation von Crowd Work

Die Organisation von Crowd Work beinhaltet die Definition von Aufgaben und Arbeitsschritten, die Organisation und Implementierung der Verteilung der Arbeit und die Überwachung und Kontrolle der Ausführung sowie die Schaffung von Anreizen für die Durchführung.

Entschädigung

Crowd Work kann auf unterschiedliche Weise Entschädigt werden, beispielsweise in einem Akkordsystem (insbes. bei externem Crowd Sourcing), mit Prämien etc. Welches System am besten geeignet ist, richtet sich im Einzelfall danach, ob internes oder externes Crowd Sourcing vorliegt, nach der Art der auszuführenden Arbeit, etc.

Arbeitsergebnisse und Geistiges Eigentum

Liegt bei Crowd Work ein Arbeitsverhältnis vor, gehen die Rechte am Arbeitsergebnis auf den Arbeitgeber über (OR 321b). Erfindungen und Designs gehen ebenfalls auf den Arbeitgeber über (OR 332). Für Software gilt URG 17.

Liegt kein Arbeitsverhältnis vor, gehen die Rechte am Arbeitsergebnis sowie am geschaffenen geistigen Eigentum (insbes. Urheberrechte) nicht automatisch über. In den Vereinbarungen mit der Plattform resp. in den AGB der Plattform sind diese Fragen zu regeln bzw. den bestehenden Regelungen ist besondere Aufmerksamkeit zu widmen.

Sozialversicherungen

Bei internem Crowd Sourcing sind die arbeitsausführenden Personen Arbeitnehmer. Auf der vereinbarten und bezahlten Entschädigung sind die Sozialversicherungsbeiträge und ggf. Quellensteuern abzuliefern. Ferner sind die Bestimmungen des Arbeitsgesetzes über die Zeiterfassung, Höchstarbeitszeit, Gesundheitsschutz etc. einzuhalten.

Liegt bei externer Crowd Arbeit kein Arbeitsverhältnis vor, unterliegen die arbeitsausführenden Personen weder dem Schutz des Arbeitsrechts (Höchstarbeitszeit, Gesundheit etc.) noch werden vom Auftraggeber oder der Plattform Sozialversicherungsbeiträge oder Beiträge an die Arbeitslosenversicherung entrichtet. Die arbeitsausführenden Personen gelten als selbständigerwerbend und sind für die Entrichtung der Sozialversicherungsbeiträge und Steuern selbst verantwortlich.

Wird bei externer Crowd Arbeit die Beziehung zur arbeitsausführenden Person als Arbeitsverhältnis qualifiziert, sind die Sozialversicherungsbeiträge (und ggf. die Quellensteuer) abzuliefern und Beiträge an die Arbeitslosenversicherung zu entrichten. Aufgrund der oft sehr tiefen Entschädigungen für die geleistete Arbeit sind keine Beiträge an die berufliche Vorsorge zu leisten (Einzelfallprüfung notwendig), was sich mangels anderweitig gesicherter Altersvorsorge auf die Einkommenssituation der Betroffenen im Alter auswirken kann.

Weitere Rechtsprobleme

Insbesondere für die Plattformen und die auf diesen Aufträge platzierenden Unternehmen stellen sich weitere Fragen, wenn ein Arbeitsverhältnis angenommen wird.

Werden die Sozialversicherungsbeiträge, Arbeitslosenversicherungsbeiträge und Quellensteuern nicht abgerechnet und abgeführt, kommen die Strafbestimmungen in den jeweiligen Gesetzen zur Anwendung. In diesem Fall ist auch von Schwarzarbeit auszugehen.

Bezüger von Sozialhilfe und IV-Renten, welche mit Crowd Work Geld verdienen und dieses nicht deklarieren, verstossen unter Umständen gegen ihre Meldepflichten und riskieren ab einer gewissen Einkommenshöhe Sanktionen bzw. die Kürzung oder den Entzug der Sozialhilfe bzw. der IV-Rente. Unter Umständen kommen auch in diesen Gesetzen enthaltene Strafbestimmungen zur Anwendung.

Unabhängig davon, ob ein Arbeitsverhältnis angenommen wird oder nicht, bilden die aus Crowd Work erzielten Einnahmen steuerbares Einkommen. Die Nichtdeklaration von Einkommen aus Crowd Work in der Steuererklärung stellt zumindest eine Steuerhinterziehung dar.

Wird Crowd Work als Arbeitsverhältnis qualifiziert, gelten die Plattformen als Arbeitsvermittler und benötigen eine Bewilligung (AVG 2).

Weiterführende Information

www.crowd-work.ch (in Entstehung)

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